Es dämmert. Es ist diese winterliche Dämmerung zur kalten Jahreszeit, die erst spät einsetzt und eine andere Farbigkeit aufweist. Bräunlich dunkle Schatten die kahlen Äste der Bäume, die in den mattgraublauen Himmel hinauf ragen. Ein Hauch von Morgenrot, das man mehr ahnen als sehen kann. Langsam leuchten einige Fenster auf, es fahren wieder mehr Autos. Eine wohltuende Ruhe, bevor mit Betriebsamkeit der Silvestertag einsetzt im Dorf, wie man hier liebevoll den Stadtteil nennt, in dem man wohnt.
Mir ist still und nachdenklich zumute. Ich bin früh aufgestanden und innerlich. Ein paar lieb gewonnene Gewohnheiten zum Jahresende, manche würden es Rituale nennen. Ich schmecke das Wort „Rituale“ irgendwie auf seinen Gehalt ab, wende es hierhin und dorthin, vermeide es, ein etymologisches Lexikon zu Rate zu ziehen. Gerade jetzt schmeckt mir das Wort nicht.
Bilder steigen auf – wie Erinnerungen an andere vermischt mit heutigen Zeiten. Kultische Handlungen zu bestimmten festgelegten Daten, von einer Obrigkeit festgelegt, für das Volk ausgeführt. Oder auch heimliche Handlungen von Gruppen, mit dem Ziel mehr Macht zu erlangen. Im günstigen Fall zum Wohle von etwas, im ungünstigen Fall zum Schaden anderer. Schlimme Bilder steigen auf, ich will sie nicht weiter ausführen. Rituale sind ein zweiseitiges Schwert, meist mit einer Art Zwang verbunden.
Nach dieser Bilder- und Erkenntnisflut entscheide ich mich lieber für den Begriff „förderliche Gewohnheiten“.
Ich bin zufrieden mit meinem Jahr 2019. Es war ein Jahr, in denen ich einige von außen an mich heran getragene Herausforderungen zu bestehen hatte, die Zeit und Energie kosteten. Als Beispiel sei die Abofalle per SMS auf dem Handy meines Mannes genannt. Welch überraschende Erkenntnisse, was in unserem Land so möglich ist. Wie gut, dass es eine Verbraucherschutz-Zentrale gibt, die wir mehrfach aufsuchen mussten, um dem Spuk ein Ende zu bereiten. Gezahlt haben wir keinen Cent an die Betrüger.
Im Jahresrückblick hat sich einiges vom Guten zum Besseren geändert. Und es gibt noch einiges, das ich mit frohem Mut im neuen Jahr angehen möchte. Ja, und ich habe gute Vorsätze. Immer wieder aufs Neue. Insbesondere zum Thema Essen und Fitness. Die einen sinnieren darüber, dass es sich nicht lohne, gute Vorsätze zu haben, weil man es eh nicht schaffe und immer wieder einbreche. Mir macht das gar nichts. Mir bringt es Freude, gute Vorsätze für das weiße, unbeschriebene Blatt des neuen Jahres zu haben, auch wenn der Jahreswechsel als Datum hinterfragbar ist wie so viele andere.
In diesem Jahr hat das in den ersten Monaten immerhin zu einigen Wochen des zuckerfreien Lebens geführt. Für mich keine leichte Sache, kann ich Ihnen versichern. Und: Ich bin geneigt, es wieder anzugehen.
Ein weißer Streif erscheint am Horizont. Der Tag bricht an.
Mein Mann kam gestern mit einer schönen Überraschung nach Hause. Wir gehen aus und schauen uns ein musikalisches Märchen an: „La Cenerentola“, auf deutsch „Aschenputtel“ oder „Der Triumph des Guten“. Ich freue mich sehr darüber. Sind wir nicht alle immer wieder einmal „Aschenputtel“? Weil wir ungesehen alltäglich Schmutz wegputzen, unangebrachte Worte anhören, die unserem Selbstwert nicht gerade förderlich sind oder uns selbst übertölpeln, bis eine von den Medien geprägte unrealistische Selbstdarstellung uns irgendwann zu Fall bringt?
Die gute Nachricht dieses Märchens liegt im zweiten Titel.
Auch wenn das Leben gerade noch so öde und trist erscheint im Erfüllen der alltäglichen Pflichten. Es kann in jedem Moment ein Wunder geschehen. Im Inneren, wenn wir das, was wir tun, plötzlich wieder voller Freude tun. Vielleicht einfach, weil wir erkennen, dass wir am Leben sind und was für ein kostbarer Schatz es ist, sich bewegen zu können, zu atmen, zu sehen, zu hören…
Und auch im Äußeren, wenn sich wundersame Dinge ereignen, mit denen wir nie gerechnet hätten. Hoffnungsvolle Erwartungen und Gelassenheit angesichts von Herausforderungen – zugegeben nicht immer leicht – sind der Schlüssel dazu.
Ihnen möchte ich an dieser Stelle ein glückliches, gesundes Jahr 2020 wünschen, voller kleiner und großer schöner, wundersamer Begebenheiten, mit innerer Zufriedenheit und einem tiefen Gefühl für den Sinn Ihres Lebens. Frohes neues Jahr!